Beim Thema ESG stößt man auf viele Abkürzungen. Können Sie erläutern, was sich hinter der SFDR verbirgt?
SFDR heißt Sustainable Finance Disclosure Regulation und ist die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzsektor oder kurz die „Offenlegungsverordnung“. Sie verpflichtet die Finanzmarktteilnehmer zu Transparenz sowohl auf Unternehmens- als auch auf Produktebene z. B. hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen, der Berücksichtigung ökologischer und/oder sozialer Merkmale (sog. Art. 8 Fonds) oder der Verfolgung eines nachhaltigen Anlageziels (sog. Art. 9 Fonds). In der Praxis wird die Offenlegungsverordnung jedoch oft fälschlicherweise als eine Art Qualitätslabel benutzt, sie ist aber tatsächlich eine reine Transparenzrichtlinie.
Was ist dabei die Abgrenzung zur Taxonomie-Verordnung?
Während die Offenlegungsverordnung zur Transparenz über nachhaltigkeitsbezogene Themen verpflichtet, ist die Taxonomie-Verordnung der Versuch, ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten – unter anderem auch aus dem Immobiliensektor – innerhalb der EU herzustellen. Kurz gesagt, sollte jedes EU-Land bei einer bestimmten Immobilie zu der gleichen Einschätzung bezüglich ihrer Nachhaltigkeit kommen. Dabei gibt die Taxonomie-Verordnung sechs Umweltziele vor, von denen die betreffende Immobilie zu mindestens einem einen genau definierten „wesentlichen Beitrag“ leisten muss, während sie gleichzeitig die fünf anderen Ziele nicht „wesentlich beeinträchtigen“ darf. Zusätzlich muss auch der sogenannte „Mindestschutz“ eingehalten werden. Dahinter verbergen sich Vorgaben z. B. zu Menschenrechten, Korruption, Besteuerung und fairem Wettbewerb. Zusammengefasst stellt die Taxonomie-Verordnung hohe Anforderungen an Immobilien, die als „Taxonomie-konform“ oder „ökologisch nachhaltig“ bezeichnet werden. Wichtig ist dabei noch, dass es keine Verpflichtung zu Taxonomie-konformen Investitionen in Offenen Immobilienfonds gibt.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Principal Adverse Impacts (PAIs)?
Die PAIs sind die nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Konkret heißt das, die PAIs zeigen, welche Risiken und negative Effekte unsere Immobilien auf die Umwelt haben. PAIs müssen sowohl auf Unternehmens- als auch auf Fondsebene berücksichtigt werden. Alternativ können kleinere KVGen und auch Fonds ohne nachhaltige Investitionen klar kommunizieren, dass sie die PAIs nicht berücksichtigen, und dies auch begründen. Für Immobilieninvestitionen gibt es zwei Pflicht-PAIs: das Engagement in fossile Brennstoffe – also z. B. Tankstellen oder Gasflaschenlager – und das Engagement in Immobilien mit schlechter Energieeffizienz. Zusätzlich gibt es im Bereich Umwelt fünf optionale Indikatoren, von denen mindestens einer auf Unternehmensebene ebenfalls zu berücksichtigen ist. Aktuell gibt es für Immobilien noch keine sozialen Indikatoren. Übrigens wird u. a. auch mittels Berücksichtigung der PAIs geprüft, ob keines der Umweltziele für nachhaltige Investitionen wesentlich beeinträchtigt wird.
Wie wird die Taxonomie-Verordnung bei den Offenen Immobilienfonds umgesetzt?
Das Thema ist noch sehr jung und viele regulatorische Fragen sind nicht final geklärt. Aber es gibt erste Anbieter wie die Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft, die sich mit der Taxonomie-Verordnung intensiv beschäftigen und die Anforderungen auch bereits umgesetzt haben. Das Thema gewinnt aber zunehmend an Bedeutung und viele Marktteilnehmer arbeiten daran, ebenfalls Mindestanteile Taxonomie-konformer Investitionen in ihren Fonds auszuweisen.
Wie ist der Living + Working hier aufgestellt?
Der Living + Working weist seit dem 1. Mai 2023 einen Mindestanteil an Taxonomie-konformen Investitionen von 5 Prozent am Bruttofondsvermögen aus. Es war ein hartes Stück Arbeit, die Anforderungen der Taxonomie-Verordnung umzusetzen, die Sicherstellung ihrer Umsetzung in die bestehenden Prozesse zu implementieren und alles sauber zu dokumentieren. Wir glauben, dass es wichtig ist, sich von Anfang an mit der Taxonomie-Verordnung zu beschäftigen und sie in den Fonds, in denen es möglich ist, auch umzusetzen. Damit werden wir dem Anspruch von Swiss Life Asset Managers gerecht, sich als einer der führenden Anbieterinnen im Bereich Nachhaltigkeit zu etablieren. Das erste Reporting zu den Taxonomie-Aktivitäten im Living + Working wird es im Anhang zum Jahresbericht zum 30. Juni 2023 geben.
Wie sind Sie beruflich zu dem Thema ESG gekommen?
Schon bei meinem vorherigen Arbeitgeber war ich sehr an ESG interessiert. Bei der Swiss Life KVG bin ich zwar ursprünglich im Vertrieb gestartet, habe aber bereits frühzeitig als ESG Ambassadorin an regulatorischen Themen mitgearbeitet. Seit Juni 2022 arbeite ich zu 100 % im ESG-Team. Ich finde es spannend, die ja doch sehr komplizierten und oft sehr theoretischen Themen gemeinsam mit vielen unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland in praxisnahe Strategien für unsere Fonds zu übersetzen. Außerdem glaube ich, dass wir als große Asset Managerin und noch dazu mit unserem Versicherungshintergrund eine Verpflichtung haben, unseren Beitrag zum Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu leisten und den kommenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.
Michaela Steffen ist seit November 2019 für die Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft tätig. Als Senior ESG Managerin verantwortet sie alle ESG bezogenen regulatorischen Themen wie die Umsetzung der Anforderungen der Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung auf Unternehmens- und Fondsebene. Sie ist aktives Mitglied im BVI-Ausschuss Nachhaltigkeit sowie in sämtlichen ESG-bezogenen Arbeitskreisen des BVI und vertritt die Swiss Life KVG regelmäßig im Rahmen von Paneldiskussionen und Vorträgen.