In Europa herrscht Wohnraummangel. Besonders im bezahlbaren Segment. In den Niederlanden fehlen, Stand 2023, 390 000 Wohnungen (Quelle: ABF Research), in Deutschland sind es dieses Jahr 800 000 Wohnungen (Quelle: Verbändebündnis Wohnungsbau). Gründe gibt es viele: Sie reichen von gestiegenen Zinsen, hohen Baukosten, über infolgedessen strauchelnde Projektentwickler, träge Vergabeverfahren bis hin zum Fachkräftemangel. Ein Teil der Lösung? Nicht nur für Bundesbauministern Klara Geywitz: serielles und modulares Bauen.
Unter seriellem und modularem Bauen versteht man Formen des vorgefertigten Bauens. Bei der Fertigung in Serie werden Bau- beziehungsweise Gebäudeteile wie Fassaden oder Fenster in großen Stückzahlen im Werk hergestellt, die vor Ort montiert werden. Bei modularem Bauen werden ganze Raumeinheiten in der Fabrik gefertigt und dann auf dem Grundstück, nach dem Baukastenprinzip, zusammengesetzt.
Diese Vorgehensweise bringt einige Vorteile: schnelleres, kostengünstiges und nachhaltigeres Bauen. So wird beispielsweise die Gefahr wetterbedingter Verzögerungen verringert. Im Schnitt kann ein Modulbau in 40 Prozent der Zeit, die die Massivbauweise benötigt, errichtet werden (Quelle: Planradar). Auch die Kostenersparnis ist beachtlich: je nach Bauweise können rund 30 Prozent Baukosten eingespart werden (Quellen: Planradar, GdW/Rahmenvereinbarung der Bundesregierung). Zudem erlaubt die Normierung Skaleneffekte, sodass nochmal weitere Preisnachlässe – je nach Abnahmemenge – möglich sind. Standardisierte Arbeitsabläufe führen dazu, dass hohe Qualitätsstandards eingehalten werden können. Damit lassen sich zeit- und kostenintensive Störungen sowie Mängel vermeiden.
Durch die Vorfertigung in der Fabrik entsteht zudem weniger Abfall und auch Rohstoffe können wiederverwendet werden. Denn die Module können demontiert und am Ende des Lebenszyklus in einem anderen Gebäude wiederverwendet werden. Was wiederum ressourcenschonend ist und auf das Nachhaltigkeitskonto einzahlt. Und zu guter Letzt entschärft die maschinelle Vorproduktion elegant das Problem des Fachkräftemangels: Erstens werden weniger Fachkräfte benötigt und zweitens werden bei der Werksfertigung bessere Arbeitsbedingungen geboten als auf der Baustelle, die Wind und Wetter ausgesetzt ist.
Bei all den Vorteilen sollte man meinen, dass serielles und modulares Bauen weit verbreitet ist. Jein. Bei gewerblichen Immobilien wie Bürogebäuden, die als Erweiterung bestehender Gebäude genutzt werden, oder Bildungsimmobilien wie Schulen oder Kitas, ist diese Herstellungsweise weitverbreitet. Der Wohnungsbau hinkt noch hinterher. Zwar erreicht der Marktanteil von Fertighäusern, die sich dieser Bauweise bedienen, in Deutschland bei Ein- und Zweifamilienhäusern bereits rund 25 Prozent (Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V.), doch bei Mehrfamilienhäusern pendelt der Marktanteil, je nach Quelle, zwischen vier (Quelle: tagesschau, 17.01.2022) und fünf Prozent (Nevaris 2021; bba bau beratung architektur 2023). Wobei davon ausgegangen wird, dass der Anteil in den nächsten Jahren auf zehn Prozent steigen dürfte (Quelle: tagesschau, 05.10.2023).
Der Grund liegt auf der Hand: Allein die anhaltende Nettomigration führt dazu, dass schnell bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss. Das Land Berlin setzt hierfür bei ihren Flüchtlingsunterkünften auf die modulare Bauweise und zeigt, dass so Gebäude in guter, dauerhafter Qualität und in verkürzter Bauzeit fertig gestellt werden können. Doch auch über Flüchtlingsunterkünfte hinaus wird modulares Bauen einen Beitrag zur Überwindung des Wohnraummangels leisten. Weshalb die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) im Rahmen der Wohnraumoffensive den Modulbau in ganz Deutschland für neuen bezahlbaren Wohnraum fördert – wie jüngst am Beispiel von sechs Mehrfamilienhäusern in Euskirchen (Quelle: BiMA Presseartikel, 18. April 2024). Auch das Bundesbauministerium plant, entsprechende Regeln und Gesetze zu ändern, um serielles und modulares Bauen zu begünstigen (Quelle: Interview Klara Geywitz, Fokus online, 22.04.2024).
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Studien das Wachstumspotential dieser Branche oberhalb des Wirtschaftswachstums sehen – für Europa wird erwartet, dass der Modulwohnungsmarkt zwischen 2022 und 2027 um im Schnitt 4,5 Prozent pro Jahr wachsen wird (Quelle: Mordor Intelligence). Hierbei dürfte der Einsatz der Modulbauweise in Deutschland – dem Land mit dem zahlenmäßig größten Wohnraummangel – überdurchschnittlich stark ausfallen.