Bewertung von offenen Immobilienfonds – das Ertragswertverfahren

31.07.2024

Der Wert von Aktien wird eindeutig durch Angebot und Nachfrage auf einem transparenten und liquiden Markt bestimmt. Bei anderen Anlageklassen, z. B. Immobilien, ist die Situation komplexer. Obwohl auch dort Angebot und Nachfrage den Marktwert beeinflussen, sind zahlreiche zusätzliche Faktoren relevant. Jede Immobilie ist einzigartig und bedarf einer individuellen Bewertung. Die Frage, wie der Wert von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds zu ermitteln ist, kann daher nicht wie bei Aktien einfach über den Marktpreis beantwortet werden. Es gibt keinen kontinuierlichen Handel, der fortlaufend Preise generiert.

Grundsätzlich gibt es drei Methoden, um den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Eine Möglichkeit ist das Vergleichswertverfahren, das auf dem Vergleich mit einem ähnlichen, bereits bewerteten Objekt beruht. Da dies jedoch nur bei nahezu identischen Flächen möglich ist, z. B. bei mehreren Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, ist dieses Verfahren weitaus seltener als die beiden Alternativen.

Die zweite Möglichkeit ist das Sachwertverfahren, das vor allem auf die physische Substanz der Immobilie abstellt. Das Verfahren ermittelt den Bodenwert und die theoretischen Herstellungskosten und zieht die Alterswertminderung ab. Hinzu kommen Marktanpassungsabschläge bzw. -zuschläge und weitere objektspezifische Merkmale. Dieses Verfahren wird vor allem bei Ein- und Zweifamilienhäusern angewendet, da für den Käufer, der häufig beabsichtigt, selbst in die Immobilie einzuziehen, häufig der Wert der Gebäudesubstanz und nicht der erzielbare Ertrag im Vordergrund steht.

Bei offenen Immobilienfonds wird der Wert einer Immobilie in der Regel nach dem Ertragswertverfahren ermittelt. Dieses Verfahren berechnet den Ertragswert von Renditeobjekten auf Basis der langfristig erzielbaren Reinerträge. Die für diese Bewertungen beauftragten Gutachter müssen daher neben den objektspezifischen Merkmalen auch das jeweilige Marktumfeld eingehend analysieren.

Bei einem üblichen Ertragswertverfahren wird der Bodenwert, der unabhängig von der Immobilie besteht, separat ermittelt. Hinzu kommt der kapitalisierte Reinertrag der baulichen Anlagen, der aus Rohertrag durch nachhaltig erzielbare Mieten abzüglich der Bewirtschaftungskosten einschließlich des Mietausfallwagnisses gebildet wird. Aus der Restnutzungsdauer der Immobilie und dem Liegenschaftszinssatz wird nun ein Vervielfältiger errechnet. Für den Ertragswert werden schließlich noch Bauschäden abgezogen.

In die Bewertung, z. B. der Kalkulation des Mietzinses, fließen noch zahlreiche weitere Faktoren wie die Lage und Nachbarschaft oder die Ausstattung der Immobilie mit ein. Aber auch der Vermietungsstand und die Bonität der aktuellen Mieter spielen eine Rolle. Darüber hinaus sind die Details im Mietvertrag entscheidend, beispielsweise ob regelmäßige Mieterhöhungen vereinbart sind oder die Miete an die Inflation gekoppelt ist. Ergänzt wird dies durch eine Bewertung des Marktumfelds, das von Aspekten wie der Wirtschaftskraft der Region, dem Bevölkerungswachstum und der Qualität der Infrastruktur beeinflusst wird.

Diese sorgfältige und umfassende Prüfung durch unabhängige Gutachter verhindert sprunghafte Veränderungen in der Bewertung der Immobilien, die durch kurzfristige Marktsituationen, z. B. extreme Schwankungen in den Mietverhältnissen, die realistischerweise nicht dauerhaft erzielbar sind, entstehen können. Damit wird eine verlässliche und realitätsnahe Bewertung der Immobilien und auch des gesamten Fondsvermögens sichergestellt.

Die rechtliche Grundlage für diese Bewertungsverfahren in Deutschland bildet die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Diese Verordnung legt fest, welche Wertermittlungsverfahren von den Gutachtern anzuwenden sind, um eine einheitliche und gerechte Bewertung von Immobilien zu gewährleisten.

Für die abschließende Bewertung der offenen Immobilienfonds ist das Gesamtvermögen maßgeblich. Dieses setzt sich zusammen aus dem Wert der gehaltenen Immobilien zuzüglich vorhandener liquider Mittel und sonstiger Vermögenswerte. Von diesem Gesamtvermögen werden alle Verbindlichkeiten abgezogen, um den sogenannten Nettoinventarwert zu ermitteln. Dieser Wert wird durch die Anzahl der ausgegebenen Fondsanteile geteilt, woraus sich der Anteilspreis ergibt.

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