Im Gespräch mit Marc Brütsch, Chief Economist der Swiss Life Asset Managers: „Die Aussichten für die Immobilienmärkte verbessern sich mit der Erholung der Gesamtwirtschaft.“

26.06.2024

Die deutsche Wirtschaft kämpft sich durch eine Schwächephase – doch positive Tendenzen sind in Sicht. Marc Brütsch beleuchtet die erwartete Entlastung bei den Finanzierungskosten, die Wende bei der Konsumentenstimmung und die daraus resultierende allmähliche Erholung der europäischen Wirtschaft, insbesondere der deutschen Industrie.

Wie ist Ihre Konjunkturprognose?

Unsere Konjunkturprognose ist optimistisch. Wir erwarten, dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen im Euroraum in den kommenden zwölf Monaten um rund 150 Basispunkte senken wird, was zu niedrigeren Finanzierungskosten und damit zu besseren Investitionsbedingungen führen wird. Diese Entwicklung kommt gerade in der aktuellen Schwächephase der europäischen und insbesondere der deutschen Wirtschaft sehr gelegen, zumal von der Fiskalpolitik vorerst keine Hilfe zu erwarten ist. Rückläufige Inflationsraten und günstigere Kreditkonditionen werden dazu beitragen, die konjunkturelle Talsohle zu überwinden.

Hinzu kommt eine zunehmend positive Verbraucherstimmung in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die den Binnenkonsum stärken und somit einen weiteren Impuls für das Wirtschaftswachstum setzen dürfte. Zusammenfassend gehen wir von einer allmählichen Erholung aus, die von niedrigeren Inflationsraten getragen wird.

Woher nehmen Verbraucher ihre Zuversicht?

Die Zuversicht der Verbraucher hat mehrere Gründe. Erstens zeigt sich, dass die finanzielle Lage der Einzelnen sich trotz anfänglicher Befürchtungen aufgrund der stabilen Arbeitsmarktlage nicht wesentlich verschlechtert hat. Viele Menschen, die in der Vergangenheit aufgrund unsicherer wirtschaftlicher Aussichten vermehrt gespart haben, empfinden nun, dass ihre finanzielle Situation besser ist als erwartet. Umfragen bestätigen diesen Trend, da immer mehr Menschen die Absicht zeigen, wieder vermehrt zu konsumieren. Die Stärkung der Kaufkraft und der Konsumnachfrage kurbelt wiederum das wirtschaftliche Wachstum an.

Zweitens gibt es Anzeichen für steigende Reallöhne bei rückläufiger Inflation, was deutlich die Kaufkraft verbessert. Besonders in Großbritannien und Frankreich ist daher eine zunehmende Zuversicht zu beobachten. In stark exportabhängigen Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist die Situation durch höhere Energiekosten und nachlassende Nachfrage zwar weiterhin gedämpft, aber auch hier gibt es Anzeichen für eine positive Trendwende.

Was bedeuten diese Entwicklungen speziell für die Immobilienwirtschaft?

Während an den Aktienmärkten viel Optimismus herrscht, sind die Immobilienfinanzierer und Projektentwickler zurückhaltender. Diese sind darauf angewiesen, dass kurzfristige Kredite attraktiver werden – und das passiert erst, nachdem die Zinsen gesunken sind. Die Auswirkungen niedriger Zinsen sind jedoch nicht nur auf die Reduzierung der Finanzierungskosten beschränkt, sondern beeinflussen auch die Bewertung von Immobilien.

Eine Rückkehr zu den sehr günstigen Bedingungen vor der Pandemie ist jedoch unwahrscheinlich. Die Nominalzinsen werden im positiven Bereich bleiben, so dass Immobilien nicht mehr wie in Zeiten negativer Zinsen eine alternativlose Anlagemöglichkeit darstellen. Trotz dessen steigt die Planungssicherheit für Investoren und Immobilien gelten weiterhin als solide Anlage zur Absicherung gegen Inflation. Mit der Erholung der Gesamtwirtschaft verbessern sich also auch die Aussichten für die Immobilienmärkte. Günstigere Finanzierungsbedingungen und zunehmende wirtschaftliche Stabilität dürften wieder mehr Investoren auf den Immobilienmarkt locken.

Marc Brütsch

Marc Brütsch ist seit Abschluss des Studiums der Nationalökonomie und der Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich für Swiss Life tätig. Seit März 2000 bekleidet er die Funktion des Chief Economist von Swiss Life Asset Managers. Wie auch bereits für die Jahre 2015, 2017, 2019, 2020 und 2022 zeichnete die Firma Consensus Economics in London ihn und sein Team jüngst für das Jahr 2023 mit dem seit 2013 vergebenen Gütesiegel „Forecast Accuracy Award“ für die beste Prognose zur Konjunktur in der Schweiz aus. Den gleichen Preis gewann er für 2019 auch für seine Prognosen für die Eurozone. In den Jahren 1996 und 1997 arbeitete er für Swiss Life in England. Ab August 2022 nahm er seine Aufgaben für ein Jahr aus Paris wahr.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Jetzt mit Freunden teilen!